Montag, 30. Juni 2008

Besuch in Colmar

Bevor meine ehemalige Bremer Mitbewohnerin Maja in wenigen Tagen wieder nach Deutschland abhaut, habe ich ihr heute noch schnell einen Besuch abgestattet. Colmar liegt eine halbe Stunde von Strasbourg entfernt und verbreitet mit seinen vielen Fachwerkhäusern noch ein bisschen mehr elsässischen Charme als Strasbourg. Maja hat in den letzten neun Monaten, die sie hier verbracht hat, ihre Rolle als Fremdenführerin perfektioniert und konnte mir zu jeder hübschen Ecke ein paar nette Details verraten.

So zeigte sie mir das "Kopfhüs" (Maison des Têtes), dessen Fassade mit 106 Grimassen schneidenden Gesichtern geschmückt ist, wir schlenderten durch das Gerberviertel, durch winkelige Gassen und an der Dominikanerkirche vorbei. Nebenbei erfuhr ich, dass der Storch Wahrzeichen des Elsasses schlechthin ist. Außerdem sehen sich die Elsässer als stolze Erfinder des Kougelhopfes (Gugelhupf), je nach Belieben süß oder salzig. Neben dem Gewurztraminer (einem süßen Weißwein) und der Gänseleber sind diese Nougattorten ebenfalls typisch elsässisch:
Ich habe übrigens noch nichts davon probiert. Dafür weiß ich jetzt, dass ein Café Crème im Norden Frankreichs etwas anderes ist als im Süden, wo er dem deutschen Milchkaffee sehr nahe kommt. Hier wird einem hingegen ein rabenschwarzer Kaffee serviert, auf dem eine feine Schicht Schaum (die Crème!) schwimmt. Café au Lait dagegen ist im Norden wie im Süden ein schwarzer Kaffee, zu dem ein Kännchen Milch gereicht wird.
So oder so, ich hatte einen schönen Nachmittag bei Maja (hier auf einer Brücke in "Klein-Venedig". Scheint eine französische Mode zu sein, Stadtviertel mit Fluss und Brücke "Petite Venise" zu nennen.) und vor lauter Geplauder vergaß ich sogar, sie vor die Kamera zu scheuchen. Naja, wer ganz genau hinsieht, entdeckt sie hier auf der Place de la Cathédrale...

Samstag, 28. Juni 2008

Wochenende

Ich hätte mir heute natürlich den Reiseführer unter den Arm klemmen und sämtliche Sehenswürdigkeiten abklappern können. Aber es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten, eine Stadt besser kennen zu lernen. Aus Anlass des Schlussverkaufs in Frankreich entschied ich mich deshalb für die Shoppingtour: Ich bewunderte in der Galerie Lafayette ausgefallene Kleidungsstücke und solche, die ich zu Hause in der Verkleidekiste verstaut hätte. Ich stand mehrmals hintereinander mit gleichen Klamotten an der Schlange der Umkleidekabine, weil ich mich immer wieder bei der Größe irrte. Ich ließ mich von einer wildfremden Frau schließlich doch dazu verleiten, ein Paar Schuhe zu kaufen. (Der Satz "Oh, die sehen ja schön aus. Auch so bequem!" überzeugt doch. Oder nicht?)

Ich gönnte mir auf der Place Kleber eine Pause und beobachtete Leute, die vom Kaufrausch ebenso ausgelaugt waren wie ich. Und da ich zwischendurch doch immer mal wieder Straßen doppelt ablief oder in die andere Richtung abbog, weil es dort gerade so schön aussah, kann ich doch sagen: Ein bisschen besser kenne ich die Strasbourger Altstadt jetzt. Auch ohne Reiseführer.

Donnerstag, 26. Juni 2008

Olé olé!

Nachdem ich Mittwochmittag nebenbei einen Kollegen gefragt hatte, wo man sich wohl in Strasbourg schön zum Fußballgucken hinsetzen könne, wurde ich kurzerhand geschnappt und mit der gesamten ArteInfo-Bande nach Kehl transportiert. In Deutschland, so der Kollege, sei die Atmosphäre nämlich viel schöner. Und die Türken besser drauf. Gut, stand ich also mit vielen deutschen und vereinzelten französischen Kolleginnen und Kollegen auf dem einzigen großen Platz in Kehl zum Public Viewing. Wobei Viewing in meinem Fall nicht ganz das richtige Wort ist. Die Fotos zeigen es: Der Idealzustand, wenn ich ein paar Zentimeter größer wäre...

... und die Realität. Nach den ersten beiden Toren wusste ich dann wenigstens, an welchen hüpfenden Menschen ich mich orientieren konnte, um zu wissen, wie es um wen stand. Auch konnte ich mich während dieses Erlebnisses natürlich prima in den Kollegenkreis integrieren: In der ersten Halbzeit kaufte eine Kollegin für mich das Stück Flammenkuchen mit, dafür brachte ich ihr ein Bier. In der zweiten Halbzeit hatte ich dann die andere Kollegin, mit der ich nach Hause fahren wollte, bereits verloren und alle anderen, die noch übrig waren, suchten mir mir, denn: Man kann doch die Praktikantin nachts um elf nicht einfach in Kehl stehen lassen, wenn sie noch rüber nach Strasbourg muss.

Hat aber alles hingehauen. Schließlich haben wir ja auch gewonnen. Und so wurde ich zurück nach Frankreich kutschiert, wo nicht eine einzige Autohupe durch die Nacht schallte.

Dienstag, 24. Juni 2008

Praktikum oder kein Praktikum?

Das war hier die Frage. Als ich frisch und munter nach einem Extraumweg, weil zu früh, am Arte-Empfang stand, sah alles noch ganz gut aus. Außer, dass es keine Unterlagen von mir gab und der Mann am Empfang meine Verantwortliche nicht erreichen konnte. Eine Viertelstunde später kam dann deren Kollegin angehetzt, Véronique sei krank und sie hätte mich ganz vergessen. Schwamm drüber. Im Büro sagte sie dann nebenbei, wir müssten noch ein paar Sachen regeln, ich hätte ja einige Dokumente noch gar nicht eingereicht. Ob ich denn den Brief nicht bekommen hätte, in dem ich nach der Convention de Stage gefragt worden sei? Nein, sagte ich, erinnerte mich dann aber schlagartig: Da war mal ein Brief von Januar, den ich im April bekommen hatte. Darin beglückwünschte Arte eine mir unbekannte Frau Friedel zu ihrem Praktikum von Juni bis Oktober und erinnerte daran, einige Dokumente vor Beginn des Praktikums einzureichen. Den Brief hatte ich fatalerweise einfach ignoriert und als ungültig angesehen. Jedenfalls für mich.

Da stand ich nun. Mit einer aufgeregten Sekretärin, die mich zunächst einmal zur Praktikantenbeauftragten führte. Deren strahlendes Lächeln gefror auf der Stelle, als sie hörte, ich hätte keine Convention abgegeben. Denn: Keine Convention, kein Stage. Pech gehabt. Sie hätte schon genug Probleme mit Leuten wie mir gehabt, es tue ihr leid, aber so könne ich leider kein Praktikum bei Arte absolvieren. Wir einigten uns schließlich darauf, dass ich bis mittags in der Hochschule anrufen und mich um gewissen Praktikumsvertrag kümmern sollte.

Wie erwartet fiel man dort aus allen Worten. Was Arte verlange? Dass man für mich als Studentin hafte, falls ich eine Kamera umwerfen würde? Noch nie gehört, von so einem ominösen Praktikumsvertrag. Und überhaupt – warum jetzt und sofort und so spontan? Nun, dank regem Engagement der Barbara W. in Bremen hatte die aufgewühlte Sekretärin binnen weniger Stunden doch noch den Vertrag auf dem Schreibtisch liegen. Währenddessen machte ich bei Papa und der Krankenkasse Wind, um nötige Versicherungsdokumente aufzutreiben.

Bis zum Mittagessen war alles geklärt. Ich bin nun offiziell Praktikantin bei Arte und auch die Beauftragte für Praktikanten schenkte mir wieder ein Lächeln. Wenn auch ein etwas eisiges.

Montag, 23. Juni 2008

Zurück in Frankreich

Oder nicht ganz. Strasbourg ist eben doch noch mal ganz anders. Übersetzungen der Straßennamen werden gleich mitgeliefert (Ich wohne in der Rue brulée, auch Brandgass genannt), die deutsche Sprache habe ich während meines ersten Weges etwa so oft gehört wie die französische (und es waren eindeutig keine Erasmusstudenten!), typisch französische Häuschen wechseln sich mit herrschaftlichen Häusern ab, die man sich so auch in Städten wie Bremen oder Heidelberg vorstellen kann. Und natürlich kam ich gleich an mehreren Winstuben vorbei, in denen ich laut Reiseführer unbedingt einkehren sollte.

Der erste Eindruck neben all dem: Heiß. Die schwüle Hitze, die pünktlich zum Abfahrtstag auch in Bremen Einzug gehalten hat, wabert hier wohl schon seit längerer Zeit über der Stadt. Ich bekam sie während meiner Zugreise besonders gut zu spüren – die Klimaanlage war kaputt. Dann, nach einer angenehm kühlen Dreiviertelstunde im TGV, (der ungefähr so schnell fuhr wie eine Regionalbahn – falsche Strecke gewählt für den Schnellzug...) schlug mir in Strasbourg erneut ein Schwall stickiger Luft entgegen.

Vielleicht um die Erinnerung an den Ankunftstag in Aix aufzufrischen, ignorierte ich selbstredend den Vorschlag, den öffentlichen Transport zu benutzen. Drei Bahnhaltestellen sind doch ein Katzensprung. Sind’s auch, aber selbst wenn der Koffer vielleicht nicht mehr 20 Kilogramm wiegt und die Bürgersteige breit und eben sind, kam ich doch schweißgebadet an meinem neuen Zuhause an. Die Wohnung liegt zudem im vierten Stock. Wendeltreppe ohne Aufzug, versteht sich.

Ja, mein neues Zuhause. Ich wohne mit einem echten Elsässer unter einem Dach, dem ich sehr konzentriert zuhören muss, denn weder sein Französisch, noch sein schwäbisch-angehauchtes Deutsch ist für mich besonders einfach zu verstehen. Daneben gibt es einen Sohn, der vielleicht etwas älter ist als ich. Wer außer den beiden Katzen sonst in der Wohnung weilt, konnte ich so schnell nicht herausfinden.

Der Zustand der Wohnung unterstützt meine These, dass den Franzosen gepflegter Wohnraum nicht besonders wichtig ist. Risse in der Wand, Sprünge im Waschbecken, die Warnung, mit dem Rollladen nicht allzu ruppig umzugehen, „er ist alt und kaputt“. Nun, ich werde mich schon zurechtfinden. Das letzte Wort über mein neues Zuhause ist jedenfalls noch lange nicht gesprochen.

Donnerstag, 19. Juni 2008

Die Rückkehr

Schluss mit Urlaub, Schluss mit Sonne, seit zwei Tagen weile ich wieder in Bremen. Das habe ich während der zweiten Urlaubswoche mit meinen Eltern erlebt:

Einen Besuch im Ste-Baume-Massif, in das sich Maria Magdalena (genau die!) nach ihrer Strandung in Ste-Marie-de-la-Mer geflüchtet hat, um 33 Jahre lang in einer Grotte zu sitzen und Buße zu tun. Einmal in der Woche verschafften ihr ein paar Engel Abwechslung und trugen sie auf den Gipfel des St. Pilon, wo sie mit Himmelsmusik beschallt wurde.

Die Calanque d'en Veau bei Cassis, inklusive Unwetter und Sonnenschein. Endlich habe ich es geschafft, in einer Calanque zu schwimmen (man beachte den kleinen Punkt hinten links, das bin ich). Die Wanderung an den Calanques entlang war aber mindestens genauso schön. (Und ja, manchmal etwas anstrengend. Vor allem, als ein Gewitter samt Sturm und Regen über uns hing und alle Menschen gleichzeitig einen engen, felsigen, steilen Pfad hochklettern wollten.)
Die Route des Crête, mit atemberaubenden Aussichten auf Cassis, La Ciotat, die Landschaft rundum - toll.

Nun bin ich auf Zwischenstation in Bremen. Letztendlich nahm ich den Zug, nachdem die erste Mitfahrgelegenheit mit Mandelentzündung flachlag, der zweite Fahrer sich verfahren und deshalb aus Ärger an mir vorbeigerauscht ist und die dritte Fahrerin wegen Übelkeit absagte. Aber ich bin hier und freue mich, dass mir ein paar Tage bleiben, bis ich meine vorerst letzte Reise nach Strasbourg antrete.

Samstag, 7. Juni 2008

Urlaub um die Ecke

Wenige Kilometer von Aix entfernt haben wir uns niedergelassen. Ein paar Eindrücke:
Das Meer um die Ecke.
Unser Heim auf dem Campingplatz. Ähnlich eng wie im Wohnheim, aber um einiges gemütlicher!
Ein Ausflug in den Luberon...
... und zu (noch) grünen Lavendelfeldern. Schön ist's!

Dienstag, 3. Juni 2008

Aix und hopp

Dann bin ich jetzt dran. Die Sachen sind gepackt, mein Zimmer ist wieder öde und leer, verabschiedet von den anderen hab ich mich auch. Aber auch nicht so richtig, denn womöglich komme ich am Wochenende schon wieder nach Aix zum Musikfestival. Und da ich die nächste Zeit sowieso in Frankreich bleibe, ist mir auch noch nicht nach richtigem Abschied zumute. Für meine Eltern und mich geht es jetzt erst einmal für zwei Wochen in Urlaub. Danach kommt eine Zwischenstation in Bremen, bevor ich zu meiner vorerst letzten Reise nach Strasbourg aufbreche. Noch ist also nichts zu Ende. Ein Abschiedsfoto von der (fast) gesamten Aix-Truppe gibt's trotzdem. Es war so schön mit euch!

Montag, 2. Juni 2008

Chris im Monsun

Chris hatte Sehnsucht und hat sich wieder auf die Reise gemacht. Zurück nach Indien. Auf seinem Blog wird er schreiben, wie die Rückkehr ist. Ich bin gespannt.

Die strahlende Stadt

Es war einmal ein schweizer Architekt namens Charles-Edouard Jeanneret-Gris, genannt Le Corbusier, der hatte eine Version von der perfekten Stadt. Sie sollte aus einer riesigen Parklandschaft bestehen, in der einzelne Wohneinheiten auf Stelzen standen. Jede Wohneinheit stellte er sich autark vor; mit Geschäften, Ärzten, Schulen und Kultur- und Sportangeboten für die Bewohner. Die Idee kam Le Corbusier bereits 1925, aber er konnte niemanden von seiner Stadt überzeugen. Später dann, als der Zweite Weltkrieg zu Ende und die Städte zerstört waren, fand der Architekt unter anderem in Marseille sein Glück. Seit 1952 steht dort eine Wohneinheit seiner Cité radieuse, der strahlenden Stadt.

1500 Menschen haben hier Platz. Die Wohnungen sind alle nach demselben Muster konstruiert. Einziger Unterschied: Manche haben etwas mehr Platz für Kinderzimmer, andere etwas weniger. Le Corbusier beschäftigte sich vor allem mit den Themen Schiff, Sonne und Meer. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass das Gebäude an sich einem Schiff ähnlich sieht. Oben auf dem Dach, wo auch die Ecole maternelle angesiedelt ist, ragen zwei Betonschornsteine in die Luft.

Vorhergesagter Regen und allgemeine Neugier trieben uns am Sonntag erneut nach Marseille, um uns den einen Teil der perfekten Stadt anzusehen. Niko, der Städtebauer, führte uns durch das Betonschiff und erzählte uns von Le Corbusiers Vision. Als wir schon auf den Rückweg machen wollten, trafen wir im Aufzug ein äußerst nettes Ehepaar, das uns eine Führung durch eine der Wohnungen anbot. Ich muss sagen: Das hätte ich nicht erwartet. So klotzig der Beton wirkt und so düster es in den Fluren ist, (Le Corbusier nannte sie Straßen und installierte deshalb nur indirektes Licht, weil man sich dort nicht aufhalten soll. Die Straßen sind allein dazu da, Wege zurückzulegen. Versammeln kann man sich in den Wohnungen oder den Gemeinschaftsräumen.) so hell und offen sind die Wohnungen hinter den massiven Türen.

Eine vier Quadratmeter große Küche liegt direkt links neben der Eingangstür. Sie ist offen zum Wohnzimmerbereich. Le Corbusiers innovative Idee: Die Frau muss sich nicht viel bewegen und ist während ihrer Arbeit nicht abgeschnitten von der Familie. Vom Wohnzimmer mit Balkon führt eine Treppe hoch ins zweite Geschoss. Hier gibt es ein Schlafzimmer, ein Badezimmer, sowie zwei identische Kinderzimmer mit Waschbecken und Dusche.

Der Wohnraum ist maximal ausgefüllt. Außer Tisch, Betten und einer Couch braucht man keine Möbelstücke. Nischen in den Wänden und Einbauschränke bieten genug Platz für alle Dinge. Das war für die Menschen, die nach dem Krieg nichts mehr hatten, natürlich ein großer Vorteil. Der Nachteil: Man kann an der Wohnung, außer mit Farbe, nicht viel verändern. Ein zentrales Heizsystem stellt in der gesamten Wohneinheit eine konstante Temperatur von 18 Grad sicher. Die Idee dabei: Die Module sollten auf der ganzen Welt aufgestellt werden können.

Das Ehepaar, das uns die Wohnung zeigte, wohnt seit 30 Jahren in der Unité d'habitation. Sie fühlen sich wohl dort und haben, wie von Le Corbusier gedacht, in ihren Nachbarn viele Freunde gefunden. An schönen Tagen trifft man sich auf der Dachterasse, die Kinder gehen zum hauseigenen Kindergarten, bald soll es wieder einen Supermarkt im Haus geben und das Fitnessstudio ist zwar nicht mehr, wie ursprünglich gedacht, kostenlos, aber für Hausbewohner um einiges günstiger.

Klingt nach einer perfekten Stadt. Begeistert waren dagegen lang nicht alle Einwohner von Marseille. Den Betonklotz nannte man Hühnerkäfig und man hatte Angst vor Geisteskrankheiten, die laut Ärzten auftraten, wenn so viele Menschen auf engstem Raum wie diesem zusammenleben würden. Für uns war es trotzdem hochinteressant, uns einen Teil der Vision anzuschauen. Wohneinheiten von Le Corbusier stehen übrigens auf der ganzen Welt verteilt, unter anderem in Berlin, Tokio oder Rio de Janeiro.