Mittwoch, 30. Januar 2008

Alltag in Aix

Und der beginnt so: Aufstehen, Frühstücken, Studieren. Das ist übrigens unser bescheidenes Heim - unsere Etage im Wohnheim.

Manchmal kommt zwischen Aufstehen und Frühstücken auch noch die Testphase: Fühlen, ob das Wasser warm wird, überlegen, ob Duschen tatsächlich notwendig und unvermeidbar ist und dann je nach Temperatur kürzer oder länger unter die Brause springen. Es ist mir immer noch ein Rätsel, dass wir bisher noch keine lange Warteschlange vor den drei Duschen oder den drei Toiletten hatten, die gemeinschaftlich von vielleicht 40 Männer und Frauen genutzt werden. Aber umso besser.

Das ist die Universität in Aix. Hier studieren die Reichen und Schönen, solche, denen Fächer wie Jura und BWL Freudentränen in die Augen treiben. Wir quälen uns jeden Mittwoch hierher, um die dreistündige Wirtschaftsvorlesung bei Madame Schwartz zu besuchen.

Die Journalisten, mit denen wir die anderen Tage der Woche verbringen, wurden hierher verbannt. Unser Fernsehprof nannte es die "ärmste Uni Frankreichs". Glaubt man auch sofort, wenn man die Filmausrüstung sieht: Zwei Kameras, ein Mikro, ein Mac.

Unsere Nachmittage sind frei. Wenn man von Vorbereitungen für Referate oder Artikel einmal absieht. Aber im Gegensatz zu unseren französischen Kommilitonen, die in ihrer Arbeit (was nicht Nebenjob, sondern tatsächlich Studium bedeutet) versinken, geht es uns doch recht gut. Die Donnerstage haben wir übrigens ganz frei. Da mischen wir uns auch schon mal unters Volk und gehen am Vormittag nett ein Käffchen trinken - so wie tausende von Franzosen, die offensichtlich einen völlig anderen Lebensrhythmus haben als die Deutschen.

Montag, 28. Januar 2008

Marseille - N°1: Moules frites

Unser erster Eindruck von Marseille: Schmutzig, baufällig und ungemütlich. Schon der "Führer für Reisende" von der Aixoiser Touristinformation hatte uns vorgewarnt, man brauche Zeit, um sich dem Charme der Stadt ganz öffnen zu können. Die Cathédrale Sainte-Marie Majeure, auf die wir zufällig stießen, hatte offensichtlich auch schon bessere Zeiten erlebt. Dafür war ihr Inneres aber umso schöner.

Schließlich fanden wir auch den alten Hafen. Wir mischten uns unter das Volk, schlenderten am Kai entlang und genossen die Sonne und die Aussicht auf die Berge.

Pünktlich, als unsere Mägen anfingen zu knurren, fand Lena (eigentlich - wie immer - auf der Suche nach Zigaretten) ein nettes Restaurant, das hungrigen Touristen auch um 16 Uhr noch Miesmuscheln für wenig Geld servierte. Lecker!

Und während Notre-Dame-de-la-Garde auf uns und auf alle anderen ihr Auge hatte, entschieden wir bei einem Kaffee in der Abendsonne, eingelullt vom unermüdlichen Panflötenspiel eines Chileners: So schlecht war's gar nicht. Wir kommen wieder!

Monaco und Monte Carlo

Stellt euch vor: Tiefblaues Meer unter einem wolkenlosen Himmel, eine leichte Brise und das im Januar...
Am Wochenende hat es uns schon fast bis an die italienische Grenze verschlagen - spontan entschieden wir letzte Woche uns für eine Tour nach Monaco anzumelden. Durchgeführt wurde das Ganze von einer Art Organisation für Auslandsstudierende in Aix unter der Leitung eines Marokkaners. Homepage und Anmeldung waren ein bisschen undurchsichtig und so wussten wir nicht einmal, ob wir am Samstagmorgen umsonst um sieben aufstehen würden. Nach dem Motto: "Mal sehen was kommt", standen wir dann aber pünktlich um acht Uhr am Treffpunkt. Da standen wir dann auch eine ganze Weile, bis ein Jeep mit einer aufgehübschten Blondine vorfuhr und der wartenden Gruppe mitteilte, dass der Bus unterwegs sei - gesagt und abgebraust. Einige Minuten später fuhr der Jeep erneut vor und vertröstete uns auf weitere fünf Minuten. So ging das dann weiter, bis wir tatsächlich um kurz vor neun im Bus saßen. Also nicht nur in Indien ist Warten angesagt. Für musikalische Unterhaltung wurde im Bus auch gesorgt: "Fetzige" Musik aus den Achtzigern in voller Lautstärke.
Und dann nach drei Stunden Fahrt wussten wir: Es hat sich gelohnt!
Ich habe mit Monaco immer nur Formel 1, Schicki Micki und Protz verbunden. Dass das Fürstentum aber wunderschön am Mittelmeer liegt und man einen atemberaubenden Blick über das Meer an die Küsten hat - damit habe ich nicht gerechnet. Auch mein Reiseführer setzt Monaco in kein so gutes Licht. "Monaco scheint in Abgasen zu ersticken" steht da zum Beispiel und an heißen Tagen im Sommer kann ich mir das auch gut vorstellen. Doch jetzt im Januar war davon nichts zu merken.
Wir haben einfach das Wetter und das Meer genossen, obwohl es sicherlich sympathischere Städte gibt als Monaco. Auf nur vier Kilometern Länge ist das Fürstentum dicht bebaut mit Wohnblöcken und man kann sich irgendwie nicht vorstellen, dass die Reichsten der Reichen wirklich solche Wohnsilos einer schicken Villa vorziehen. Trotzdem leben in diesem Zwergenstaat bekannterweise mehr Millionäre auf einem Haufen, als sonst wo. Und das sieht man auch:Millionäre gucken kann sehr lustig sein. Vor allem vor dem Wahrzeichen von Monaco - dem Casino im Stadtteil Monte Carlo. Einige von unseren Mitreisenden waren ganz heiß auf Lamborgini, Ferrari und Co.Monaco war auf alle Fälle einen Besuch wert, auch wenn ich meinen Badeurlaub wirklich lieber woanders mache, als auf einem Betontreppen"strand" mit eingelassenen Löchern für die Sonnenschirme und Badeanstaltstreppen ins Wasser.

Freitag, 25. Januar 2008

Auf den Spuren von Cézanne

Paul Cézanne ist ein französischer Impressionist, der in Aix geboren ist, und auf den sie hier sehr stolz sind. Überall kann man auf seinen Wegen wandeln. Besonders angetan hatte es ihn der Berg St. Victoire, der auch schon auf einigen Fotos von uns zu sehen ist. Insgesamt 80 mal hat ihn der Maler porträtiert - aus allen Perspektiven.
Letztes Wochenende wollten wir den Berg ja auch aus der Nähe bewundern. Hat nur nicht so ganz geklappt, wie Alena berichten wird. Aber der Berg ruft uns und das nächste Mal werden wir ihn in seiner ganzen Schönheit festhalten.

Der Maler auf dem Foto hat sich allerdings ein Motiv in der Innenstadt ausgesucht. Ob er auch mal so berühmt wird wie Cézanne - man weiß es nicht.

Puyloubier: Pour l'oublier

Bevor das Wochenende beginnt, will ich doch schnell nochmal von unserem letzten Wochenendausflug berichten. Wieder in die nähere Umgebung, wieder auf einen Berg, aber dieses Mal mit dem Bus.
Nach einem langen, gesunden Schlaf und einem ausgedehnten Frühstück fuhren wir am Samstag gegen Nachmittag mit dem Bus "La Victoirine" Richtung Sainte-Victoire, der weißen Bergkette, die über Aix heraufragt und die wir jeden Morgen sehen, wenn wir aus dem Wohnheim Richtung Uni hetzen. Wir hatten uns auf Anraten der Dame im Tourismuszentrum den Ort St. Antonin ausgeguckt, der wohl eine einzigartige Aussicht auf die kargen Felswände bietet. Aber an der Haltestelle fuhren wir vorbei und landeten stattdessen in Puyloubier - einer kleinen Ortschaft mit einer Kirche, einem Café, einem Bäcker und einem Bouleplatz. Und nachdem wir einen Rundgang durchs Dorf gemacht und die Landschaft bestaunt hatten, saßen wir die restliche Wartezeit, bis der nächste Bus kam, im Dorfcafé ab.

Unser Fazit: Schöne Landschaft, nettes Dorf, aber da müssen wir nicht nochmal hin.

Donnerstag, 24. Januar 2008

Hefte raus...

...und drei Stunden Dauerdiktat. Ich weiss nicht, wie die Franzosen ein ganzes Studium in der Art durchstehen. Von Readern oder dergleichen scheinen die franzoesischen Professoren noch nichts gehoert zu haben. Unsere Madame Schwartz jedenfalls diktiert in unserer "Lieblingsvorlesung" Economie de l'entreprise seelenruhig einen Satz nach dem anderen. Und alle schreiben wie die Wilden mit. Vor allem, wenn Madame zwischendurch energisch auffordert "Notez-ca!" ("Schreiben Sie das auf!"). Und immer wenn man denkt, jetzt kommt man langsam mit, hoert sie ploetzlich damit auf jeden Satz zu wiederholen und die eigene Mitschrift glaenzt mit Luecken und halbvollendeten Saetzen.
Die Franzosen haben da ein System entwickelt. Sie kuerzen so viele Woerter wie moeglich ab. Oder noch besser, sie ordnen einzelnen Begriffen bestimmte Zeichen zu, die je nach Kontext etwas anderes bedeuten. Verstehe das wer will! Jedenfalls ist das Abschreiben ihrer Notizen ein Fest! Unsere lieben Kommilitonen sind jedoch wirklich nett und wollen sogar extra fuer uns in ganzen Woertern schreiben, damit wir es einfacher haben beim Entziffern.
Ich freue mich also auf jeden Mittwochmorgen, an dem mir eindrucksvoll demonstriert wird, wie gut wir es an unserer Hochschule haben, dass ich der franzoesischen Sprache noch lange nicht maechtig bin und dass Wirtschaft wirklich nicht meine Welt ist.

Samstag, 19. Januar 2008

Aus allem das Beste...

Man muss sich nur zu helfen wissen. Und so wird der fehlende Kühlschrank einfach durch den Vorsprung zwischen Fenster und Fensterladen ersetzt. Noch geht's. Noch sind die Nächte kalt. Bei mir stehen die Bierdosen, bei Alena alles andere. Bei ihr funktioniert die Heizung. Bei mir nicht.
Und so klopfe ich jeden Morgen und jeden Abend am Speisezimmer an, um leckeres Müsli mit Milch oder des öfteren Baguette mit Käse, Pastete und "Le Tartar" zu essen - garniert mit einem Glas Rotwein, von denen Alena allerdings schon eins mutwillig zerstört hat.
Und da unser Esstisch eigentlich Schreibtisch heißt, hilft ein bisschen Deko ungemein. Das ganze sah dann einen Abend so aus:
Ein Geschirrtuch als Tischdecke - et voilà. Ungemein gemütlich und wirklich lecker. Nach unserem Trip gestern haben wir uns darauf übrigens besonders gefreut.

Die Sackgasse

Ja, manche Dinge hat man eben doch ungewollt von den Eltern übernommen: Eine Landschaft überschwänglich loben und von den Mitmenschen erwarten, dass sie genauso überwältigt sind, mit sich selber sprechen, Namen verwechseln oder eben: andere Wege und Abkürzungen finden wollen. So ging es uns beim freitäglichen Nachmittagsspaziergang. Lena, Thomas (ein Erasmusstudent aus Österreich) und ich machten uns auf den Weg in die hügelige (laut Thomas darf man alle Erhebungen unter 1000 Meter Höhe nur "Hügel" nennen) Umgebung von Aix. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten - alles war schön. Der Weg schlängelte sich zu einer Plattform, auf der dieses Foto entstand: Aix von oben.

Laut Karte waren wir am Ende der Welt, aber Thomas und ich entschieden, der Weg müsse weitergehen, einen Bogen machen und uns wieder sicher nach unten in die Stadt bringen. So liefen wir weiter. An pompösen Villen und kläffenden Hunden vorbei, bestaunten wild wachsende Kakteen, sprangen zur Seite, wenn Anwohner uns zeigen wollten, wie schnell ihr Auto fahren kann und liefen und liefen, während der Weg weiter anstieg, sanfte Kurven machte und nicht gerade so aussah, als würde er zurück zu Stadt führen. Nun aber, auch so eine Sache, die man von den Eltern gelernt hat, kann man einen Weg nicht einfach zurückgehen - deshalb liefen wir weiter. Die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, die zweite Stunde verstrich und der Weg mündete auf einer zweiten Plattform, von der wir folgendes Foto schossen:


Das (Atom)kraftwerk im schönen Örtchen "Les Anges" (Die Engel). Der Weg machte eine Kurve, Aix lag weit hinter und tief unter uns und während Lena Thomas mittlerweile überzeugt hatte, einfach wieder umzukehren, ließ ich mich von dem Sackgassenschild, das am Wegesrand stand, nicht beeindrucken und überredete die beiden, mitzukommen - Autos können da nicht durch, Fußgänger sicher schon. Also liefen wir weiter. Die Sonne begann zu sinken, die Vögel zwitscherten nur noch vereinzelt, es wurde kühler und ein Schild verbot uns zu jagen. Briefkästen von Villen am Wegesrand, ein Haufen Hundescheiße, Müllcontainer und Stromleitungen. Aix lag tief unten, wir stapften weiter. Ein Auto überholte uns. Im Inneren eine Familie, die uns halb überrascht, halb misstrauisch (Lena nannte es "sparsam") ansah. Das Mädchen auf dem Rücksitz dreht sich noch einmal um, um sich zu vergewissern, dass es nicht eben Gespenster gesehen hatte. Wir liefen unverdrossen weiter, bestaunten die Landschaft, besahen uns den Sonnenuntergang, zählten die Lebensmittel auf, die wir dabei hatten, um uns in der Nacht versorgen zu können, falls der Weg niemals aufhören würde. Was er dann aber tat. Mitten im Nichts teilte er sich auf und führte auf zwei Privatgrundstücke, deren Betreten strikt untersagt war. Was für uns bedeutete: Umkehren. Ein Unding. Eine Sache der Unmöglichkeit. Aber auch ich musste es einsehen. Und so stapften wir wieder zurück, zwei Stunden. Während der Himmel sich rot färbte, in der Stadt die Lichter angingen und Fledermäuse durch die Luft turnten. Es war ein schöner Spaziergang, wir genossen die Atmosphäre (während unsere Beine zu schmerzen begannen) und ich habe eingesehen: Manchmal muss man einfach den gleichen Weg zurück gehen.

Mittwoch, 16. Januar 2008

Erste Depressionen

Bisher lief alles besser als gedacht. Der Überraschungskurs "Synergie Communication" (zu deutsch etwa: "Zusammenwirkender Umgang miteinander") gibt uns die Möglichkeit, uns in französischer Sprache auf einer Website für Studenten auszulassen. Am Ende des Kurses werden wir dann über unsere "Mission" berichten, ob sie erfolgreich war, wie es gelaufen ist und so weiter. Könnte man wohl schaffen.

Im Kurs "Montage vidéo" werden wir (richtig!) einen Film drehen. In Dreiergruppen, zwischen anderthalb und drei Minuten, Schwerpunkt Interview. Und: Schneiden müssen wir selbst, denn wir sind ja schon im zweiten Jahr. Auch das müssten wir hinkriegen.

Heute saßen wir dann drei Stunden lang mehr oder weniger ratlos in der Wirtschaftsvorlesung. "Economie de l'entreprises" ("Unternehmenswirtschaft") gehört schon im deutschen Studiengang nicht zu unseren besonderen Interessen. Einem dreistündigen Vortrag (na gut, es gab zwischendurch zehn Minuten Pause, wahrscheinlich auch deshalb, weil die Stimme der Professorin versagte) zu folgen ist auch schon nicht ganz einfach. Und dann die Sprache sowohl den Inhalt zu verstehen und nebenbei mitzuschreiben, war so gut wie unmöglich. Aber einer unserer liebenswürdigen Kommilitonen hat uns gleich seine Aufzeichnungen zur Verfügung gestellt. Er war übrigens der Einzige aus unserem Studiengang, der in der Vorlesung saß. Die anderen haben ausgeschlafen - kennt man ja schon, den ganzen Pipifax.

Erste Impressionen

Ein französisches Städtchen, wie man es sich vorstellt: Verwinkelte Gassen in der Altstadt, Kopfsteinpflaster, unmögliche Bürgersteige und Menschen in Cafés, die übrigens alle brav draußen rauchen. Gestern haben Alena und ich ein bisschen die Stadt erkundet. Auf diesem Markt wurde das Abendessen gekauft. Und wir überlegen immer noch, ob wir uns nicht doch einen richtigen Korb anschaffen, in dem wir dann original unser Baguette durch die Straßen tragen...Und über allem ein strahlend blauer Himmel und erste Frühlingsgefühle.


Dieser Anblick bot sich uns dann auf dem Weg zu unserem Pavilllion 3 auf dem bergigen Gelände des Studentenwohnheims - setzt die grauen Blöcke gleich in ein ganz anderes Licht.
Und auch die Aussicht auf die Berge entschädigt für vieles...

Montag, 14. Januar 2008

Room 3603




Hamburg, Berlin, Bremen, Aix. Es gibt viele verschiedene Arten zu wohnen. Die in in unserem Studentenwohnheim ist eine der engsten. Der erste Anblick meines Zimmers erinnerte mich ein bisschen an ein 1.Klasse-Zugabteil in Indien: Türkise Wände, schmutziger Spiegel und alles so ein bisschen angesifft. Meine Matratze quietscht bei jedem Atemzug und Lena hat bald Druckstellen von den Sprungfedern. Aber auch hier werden wir es uns für die nächsten Monate gemütlich machen. So wie hier in diesem netten Aixoiser Café, das seinen Kunden kostenloses W-Lan bietet. Das gibt's nämlich nicht im Wohnheim. Dafür aber ein Bidet - die Franzosen wissen eben, worauf es ankommt.